Ich ging durch stille
Abenddämmerungen,
Die stille Flur entschlummerte
schon mählig,
Die Vögel hatten, da sie
tausendkehlig
Die Sonn’ im Scheiden grüßten,
ausgesungen.
Da hat ein hoher Klang sich
aufgeschwungen
Von Abendglocken rings im Land
vielzählig
Da fühlt’ ich mich im tiefsten
Herzen selig
Und Thränen in’s Auge mir
gedrungen.
O Glockenton, wie du an Gott
zu denken
Uns aufrufst durch den trüben
Erdenabend,
Will sich der Geist so ganz in
Andacht senken.
Ein Ton nun klingt durch’s öde
Weltgetriebe,
Das sehnsuchtsmüde Herz noch
süßer labend:
O klinge fort, du Ruf der
ew’gen Liebe!
1815 - 1882
I.
Du hast, o treue Mutter, uns
verlassen,
Als winterlich die erste
Flocke fiel,
Und mühten wir uns eifrig noch
so viel,
Die Blumen fehlen – o die
kalten, nassen
Herbstlichen Winde will ich
immer hassen!
Die Blume, ihres Zornes
hülflos Ziel,
Gab alle Blätter ihnen hin zum
Spiel,
Und alle Farben machten sie
erblassen.
Doch hast du redlich immerdar
gerungen,
Und wenn gerecht wird sein der
Kämpfer Sichtung,
Nicht ohne Kranz stehst du
dann vor dem Throne!
Drum nehm’ ich Thränen,
Schmerz, Erinnerungen
Und binde sie mit dunklem Band
der Dichtung,
Dir also flechtend eine
Liederkrone.
1815 - 1882
Ihr scheltet mich,
ihr Meister, unbescheiden,
Weil ich euch
achte, weil ich’s nicht ertrage,
Daß meine Zunge
Heuchelei euch sage,
Weil meine Rede
stählern ist, nicht seiden.
Ihr scheltet mich,
und ich? – ich muß es leiden!
Ich kann mein Wort
nicht wägen auf der wage;
Drum, ob euch auch
mein ehrlich Wesen plage,
Ich will und kann
die Weise nicht vermeiden!
Eins aber wünsch’
ich, und ihr müßt es loben:
Daß mir auch
einst, wie euch von mir geschehen,
Die Jünger
Wahrheit sagen ohne Schonung.
Da mag sich denn
mein wahrer Sinn erproben,
Dann mögt ihr
meine Demuth doch ersehen –
Nennt’s Strafe
ihr, ich nenn’ es kühn Belohnung!
1815 - 1882
II.
Die Stille schwand! der Cirkus
that sich auf,
Der Herold winkte: hei die
Renner fliegen!
Gilt es zu siegen? männlich zu
erliegen?
Frisch! Tod und Leben, beide
stehn zu Kauf.
Und dich verlor ich in dem
raschen Lauf:
wer kann in weichem
Kindheitstraum sich wiegen,
So lang die Kraft er spannen
muß zu siegen,
Der Gegner Schaar ihn noch
umringt zu Hauf?
Umflogen ist die Bahn! Stolz
blick’ ich um,
Langsamern Lauf nun gönnend
dem Gespanne;
Nah ist das Ziel, die Gegner
all zurück.
Doch jauchzen kann ich nicht:
ich denke stumm,
Daß mich der Kampf gereift zum
ersten Manne,
Auch hinter mir liegt fern der
Jugend Glück!
VI.
„Die Nacht ist schrecklich,
finster, kalt und bang,
Doch lieb’ ich sie; sie ist
des Todes Schein;
Unendlich einsam bin ich und
allein;
Wie draußen, schweigt im
Innern jeder Klang.
„Da streck’ ich mich wie
Leichen, starr und lang;
Die müden Hände faltend, dämmr’
ich ein –
So träum’ ich mich in meinen
Todtenschrein,
Und über mir hallt dumpf der
Priester Sang.
„Und also lieg’ ich, bis im
wirren Hirn
Des Lebens letzter Funke mild
verglimmt,
Und Eiseskälte mir bedeckt die
Stirn.
„Dann spür ich Ruhe – Tod und
Grab und Nacht
Gefühl und Denken, Lust und
Noth verschwimmt,
Und ob mir waltet der
Vernichtung Macht.“